Untersuchungen zur individuellen Leistung, zum Verhalten bei Einzelhaltung und zur künstlichen Besamung von Gänsen

Zusammenfassung

Ziel der Arbeit war es, als Voraussetzung für züchterische Entscheidungen grundlegende Erkenntnisse zum Reproduktionsgeschehen von Gänsen zu gewinnen.
Mit ingesamt 88 Zuchtgänsen (28 männl./60 weibl.) einer verbreiteten norddeutschen Herkunft wurden zu diesem Zweck 1987/88 breit angelegte Untersuchungen zur Leistung, zum Verhalten und zur künstlichen Besamung durchgeführt. 37 weibliche Tiere wurden hierzu einzeln, der Rest in Kleingruppen gehalten. Die Erhebung der Versuchsdaten erfolgte in Celle (FAL) und auf dem Großhüttenhof in Krefeld (LK Rheinland).
Folgende Ergebnisse wurden erzielt:
1. Die gruppenweise erfaßte Legeleistung der Gänse lag bei 47 bis 57 Eiern. Erhebungen zum Futterverbrauch, der Eimassen Leistung, der Legerhythmik der Gänse, deren individueller Eiform und der Körpergewichtsentwicklung der Tiere geben einen Einblick in das Leistungsgeschehen. Die Variabilität zwischen den Individuen war beachtlich.
2. Gegenüber einem zehnstündigen Lichttag führte die doppelte Lichttagslänge zu einem steileren Anstieg des Leistungsverlaufs zu Beginn der Legeperiode. Aufgrund eines frühzeitigen Rückgangs der Legetätigkeit lag die Legeleistung bei einem 20-Stunden-Lichttag jedoch drastisch unter der der Vergleichsgruppe.
3. In einem Versuch mit verkürzter Zwischenlegezeit und drei Legezyklen in zwei Jahren überstieg die durchschnittliche Jahresleistung die Legeleistung bei jährlich einer Legeperiode, obwohl im dritten Legezyklus kein zufriedenstellendes Ergebnis erbracht wurde.
4. Mittels Videoaufnahmen im Rahmen von Untersuchungen zum Legeverhalten einzeln auf Stroh gehaltener Tiere konnte ermittelt werden, daß
- vom Beginn des Nestbaus bis zum Verlassen des gelegten Eies durchschnittlich mehr als drei Stunden vergehen,
- Futter- und Wasseraufnahme, Gefiederpflege wie auch ruhiges Stehen innerhalb der letzten drei Stunden vor der Eiablage deutlich reduziert werden, - verschiedene dem Nestbau zuzuordnende Verhaltensweisen innerhalb der drei Stunden vor der Eiablage stetig zunehmen,
- die Tiere vor der Eiablage eine Phase deutlich verstärkter Unruhe haben, in der sie auch gesteigertes Fluchtverhalten zeigen,
- die Futteraufnahme entgegen der Wasseraufnahme auch eine Stunde nach erfolgter Eiablage noch minimal ist,
- im zweiten Jahr der Einzelhaltung bei der Futter-, Wasseraufnahme und dem Verlegen von Strohhalmen im Rahmen des Nestbaus sich die Häufigkeit des Auftretens jeweils deutlich reduzierte, während beim ruhigen Sitzen eine Verdopplung der Dauer stattfand,
- bei allen Verhaltensweisen zwischen den Tieren hoch signifikante Differenzen auftraten,
- die Eiablagen gleichmäßig verteilt während der 24 Stunden des Tages erfolgten.
5. Bei den meisten Verhaltensweisen im Rahmen der erfaßten 24 Stunden-Aktivitäten wurde während der vierzehnstündigen Dunkelphase ein relativ hohes Aktivitätsniveau beobachtet; so war unter anderem auch die Futteraufnahme keineswegs gegenüber der Lichtphase vermindert.
6. Tageszeitliche Schwerpunkte im prozentualen Auftreten zeigten sich besonders bei der Gefiederpflege (Mittagszeit, Beginn der Dunkelphase), dem Knabbern an Stallgegenständen außer Stroh und Futter (Vormittag, Nachmittag, erste Nachthälfte), beim sitzenden Ruheverhalten (erste Nachthälfte) und dem Ruhen der Gänse im Stehen (vor Tagesbeginn).
7. Eine vorläufige Einschränkung bezüglich der Aussagefähigkeit der Beobachtungsergebnisse muß aufgrund der Methodik der nächtlichen Videoaufnahmen gemacht werden. Am Beispiel eines leicht erhöhten Futterverbrauchs ließ sich ein überprüfungsbedürftiger Trend zur Verhaltensbeeinflussung der Gänse durch Blaulicht-Beleuchtung feststellen.
8. Einzelhaltung der Gänse stellt für die Zucht eine Möglichkeit der individuellen Leistungserfassung dar. Zu einer endgültigen Beurteilung der Praktikabilität dieses Haltungssystems sind jedoch weitere Untersuchungen nötig. Die im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls erprobten alternativen Methoden zur Erfassung der individuellen Legeleistung (Fallnestkontrolle, Abtasten des letzten Abschnitts des Legetraktes, Zuordnung aufgrund der individuellen Eiform) sind alle mit Problemen behaftet, so daß es ratsam erscheint, nach weiteren Lösungswegen neben der einen hohen Aufwand erfordernden Einzelhaltung zu suchen.
9. Im Zusammenhang mit der Einzelhaltung wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmals erfolgreich die künstliche Besamung bei Gänsen durchgeführt. Mittels der ausführlich geschilderten Ent- und Besamungs-Technik wurde bei wöchentlich zweimaliger Spermaübertragung eine mittlere Befruchtungsrate von fast 89 Prozent erreicht; die einmalige Besamung je Woche wies deutlich schlechtere Resultate auf.
Als weitere Einflußfaktoren auf den Prozentsatz der beim Schieren als befruchtet erkannten Bruteier ließen sich der Abstand der Eiablage nach der letzten vorangegangen Besamung, die Dauer der Eilagerung bis zum Beginn der Brut und der Effekt der einzelnen Ganter ermitteln.
10.Die durchschnittliche Spermaqualität - erfaßt wurden Ejaku latvolumen, Konzentration und Beweglichkeit der Samenzellen - lag im Vergleich zu anderen Geflügelarten auf einem relativ niedrigen Niveau. Die Qualitätswerte für die einzelnen Ejakulate schwankten sowohl zwischen den Entsamungsterminen als auch zwischen den Gantern und innerhalb der Ganter bei den einzelnen Entsamungen deutlich.
Mittels einer drei- bis fünfmaligen Testentsamung der Jungganter vor Beginn der Zuchtsaison lassen sich jedoch Vatertiere mit schlechten Spermaeigenschaften relativ sicher herausfinden.

Die vorgestellten Ergebnisse sollten Anlaß genug sein, über entsprechend angelegte Untersuchungen weitere Informationen bezüglich der einzelnen Fragestellungen folgen zu lassen, um biologische und umweltbedingte Einflußfaktoren auf die Gans zu erkennen und gegebenenfalls gezielte Managementmaßnahmen einsetzen zu können.